Brockenirrtümer

Mythen rund um den Brocken

Unzählige Mythen ranken sich um den Brocken. So soll der Gipfel beispielsweise den Hexen der Region an Walpurgis als Treffpunkt dienen, um sich mit Teufeln und Dämonen zu vermählen. Nicht alle der Sagen sind richtig, und auch heute noch gibt es einige Irrtümer, die sich hartnäckig halten und ein ums andere Mal weitergegeben werden. 

Erstbesteigung des Brockens

Sicherlich haben die ersten Menschen schon in der Steinzeit die Brockenkuppe betreten – mit wieviel Firneis sie teilweise in den Eiszeiten auch bedeckt gewesen sein mag. Es wird immer noch verbreitet, der Nordhäuser Arzt Johannes Thal sei im Zuge seiner botanischen Untersuchungen vor 1572 der erste bekannte Gipfelstürmer gewesen. Doch schon vor ihm war der Gelehrte Tilemann Stella zu kartographischen Zwecken auf dem Gipfel und Dr. Friedrich Dennert hat in seiner umfassenden historischen Arbeit zum Brocken (Geschichte des Brockens und der Brockenreisen, Braunschweig 1954) festgestellt, dass die erste nachweislich durchgeführte Brockenbesteigung bereits um 1460 stattfand – festgehalten in der sog. Erfurt-Leidener Handschrift. 

Goethe am Brocken?

Den heutigen Goetheweg hat Johann Wolfgang Goethe (er war damals noch nicht geadelt) nie gesehen, auch nicht den Abbegraben, der 1777 noch gar nicht gebaut war. Der Goetheweg war nicht Goethes Weg – jedenfalls ist seine präzise Route unbekannt. Der Goetheweg wurde 1891 vom Harzklub als Weg befestigt und ausgebaut – erst danach setzte sich dieser Name überhaupt durch. Gern wird auch immer noch erzählt und geschrieben, dass Goethe 1777 als erster den Brocken im Winter bestiegen hätte – auch in dieser Jahreszeit gab es bereits vor ihm Wagemutige und zudem war er ja gar nicht allein auf dem Berg, sondern wurde vom Torfhaus-Förster Johann Christoph Degen geführt.

Heinrich Heine

Angeblich schrieb Heinrich Heine 1824 nach seiner Besteigung des Brockens in das Gipfelbuch: „Viele Steine, müde Beine, Aussicht keine, Heinrich Heine.“ Dieses Zitat wurde ihm aber nur angedichtet – wer sich etwas mit Literatur auskennt, merkt sofort, dass dies nicht die Sprache des Dichters Heine ist. Sogar im renommierten Merian findet es sich und auch frühere Ministerpräsidenten waren diesem falschen Zitat durch ihre Redenschreiber ausgesetzt – beispielsweise Christian Wulff bei der Eröffnungszeremonie des Nationalpark-Besucherzentrums TorfHaus. Als Wulff die verzogene Miene des Nationalpark-Pressesprechers sah, der die Rede vorher nicht gesehen hatte, wurde er unsicher – aber vorgelesen war vorgelesen... Übrigens stieg Heinrich Heine vom Brocken ab nach Ilsenburg, nicht von dort auf den Berg, wie die meisten Wanderer auf dieser Route heute – auch das wird hin und wieder falsch geschrieben. Und auch er nutzte – wie Goethe – nicht exakt die Route, die heute nach ihm benannt ist.

Höhe des Brockens

Die am weitesten verbreitete falsche Zahl zum Brocken ist wahrscheinlich die angebliche Höhe von 1142 m. Die korrekte Höhe von 1141 m NHN hat sich zwischenzeitlich aber durchgesetzt, wobei eine weitere Konkretisierung in Zentimetern, wie man sie hin und wieder findet, bei einem Berg, dessen Kuppe so oft vom Menschen umgestaltet wurde, kaum Sinn macht. 

Woher kommt nun aber die bekannte Höhenangabe von 1142 Meter? In den Jahren 1850 und 1864 wurden auf dem Brockengipfel zwei Granitpfeiler für trigonometrische Beobachtungen aufgestellt, deren Oberkanten eine Höhe von 1142.27 bzw. 1142,1 Meter hatten. Diese Pfeiler sind heute längst nicht mehr vorhanden, aber ihre Höhenangaben haben Eingang in zahlreiche Nachschlagewerke gefunden. 

Nach dem Abzug der russischen Armee Mitte der 90er Jahre wurde festgestellt, daß die Angabe von 1142 Metern nicht stimmte. Verschiedene Zahlen nannte die Presse - 1141 oder sogar nur 1140 Meter sollte der Brockengipfel hoch sein. Bei der Renaturierung des Brockenplateaus wurden daher zusätzliche Felsbrocken aufgetürmt, welche heute eine weitere Touristenattraktion darstellen und nicht zu übersehen sind. Doch auch hier stimmt die angegebene Höhe nicht...  

Name des Berges

Der Name des Berges ist nicht leicht zu erklären – das Thema wirft bis heute schwierige Fragen auf. Trotzdem ist es unverzeihlich, dass hierzu immer noch die abwegigsten Thesen kolporiert werden, obwohl die meisten schon von Dr. Friedrich Dennert widerlegt wurden. Dennert kam letztlich zu dem Schluss, dass der Name höchstwahrscheinlich vom Begriff „Bruch“ abgeleitet werden kann, d.h. „Moor“ bzw. „vermoortes Gelände“, was ja auch für einen guten Teil des Brockens zutrifft. Zwar wird auch diese Deutung kritisch hinterfragt, aber bis zur Präsentation einer überzeugenderen Herleitung kann diese wohlbegründete Annahme immer noch als Stand der Forschung gelten.

Geologie

Immer noch hört man hin und wieder, der Brocken sei ein Vulkan gewesen, obwohl dieser geologische Nonsens nicht mehr allzu weit verbreitet ist. Trotzdem hörte es der Autor dieser Zeilen noch am 18. September 2013 in den erläuternden Ansagen im Traditionszug der Brockenbahn – munter und voller Selbstbewusstsein erzählt – und fast alle Passagiere glaubten es. Richtig ist vielmehr, dass der Brocken aus granitischen Gesteinen des Brockenplutons aufgebaut ist. Das zähe, aber fließfähige granitische Magma entstand, als sich die Gebirgswurzel durch Plattentektonik tief abgesenkt hatte, teilweise schmolz, dann wieder aufstieg und vor ca. 293 Mio. Jahren in der Nähe der Oberfläche erkaltete, ohne jedoch vulkanisch auszubrechen. Diesen Vorgang nennt man Plutonismus – daher ist der Brockengranit ein plutonisches Gestein.

Temperaturen

Immer noch werden für den Brocken viel zu niedrige Durchschnittstemperaturen angegeben und wieder und wieder unkritisch abgeschrieben. Aufgrund des Klimawandels liegt die Jahresdurchschnittstemperatur der Luft im Bereich der Brockenkuppe jedoch heute nach den Daten des Deutschen Wetterdienstes schon bei über 4 °C – mit steigender Tendenz.

Soldatengrab

Bis heute wird von einigen Seiten angenommen, an der Brockenstraße zwischen Knochenbrecher und Kuppe befände sich das Grab des Wehrmachtssoldaten Johann Appel, der dort in der Tat in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs umkam – allerdings wurden seine sterblichen Überreste bereits 1975 auf den Waldfriedhof Blankenburg umgebettet.

Quelle: Dr. Friedhart Knolle, Nationalpark Harz, Presse, Marketing & Regionalentwicklung